Es stand von vornherein fest, es wird mehr als nur ein Strickpaket geben. Es gibt so tolle deutsche Wolle, man muss nicht Wolle kaufen, die durch die halbe Welt geschippert wurde. Wolle wächst auch in Deutschland. Und zwar gute Wolle. Tolle Wolle. Und auch Wolle, die nicht gleich beim ersten Benutzen schon in seine Bestandteile zerfällt. Vor allem ist sie bezahlbar und unterstützt die deutschen Schafhalter, die ihre Wolle oft für ein paar Cent abgeben, oder dem Scherer umsonst mitgeben, weil sie keiner will.
Deshalb suchen wir immer wieder nach solchen Kleinbetrieben. Um sie bekannter zu machen, um mehr Menschen aufmerksam zu machen. Wir bekommen dafür keine Provision. Wir sind nur der Meinung, dass es ein Produkt ist, dass in der Qualität überzeugt und mit Marken- und auch internationalen Herstellern durchaus konkurieren kann. Nur kennt sie halt keiner.
Das zweite Projekt Strickack ist mir quasi in den Schoß gefallen. Karin Höller und ihr Mann Christoph halten und züchten Rauhwollige Pommersche Landschafe. Ich habe schon verschiedene Vliese und auch fertig gesponnene Wolle von ihnen verarbeiten dürfen und finde sie, trotz ihrer Robustheit, doch sehr angenehm. Angenehm leicht (mein Pullover aus Ludmilla-Wolle wiegt so grade mal 400g!), angenehm warm (meine gewebte Decke aus Wolle von der Schäferei Svennson ist zwar nicht kuschelig, aber damit habe ich bisher noch nie gefroren). Pommernwolle ist nichts für Weicheier! Man muss sie mögen, aber wer sie mag, der wird sie lieben. Es ist auf jeden Fall eine Wolle, die man "weicht tragen" muss.
Ein Buch über lettische Handschuhe hat mir dieses Mal den Blitz gebracht. Karin hatte mit mir schonmal in einer nächtlichen Unterhaltung darüber gesprochen, dass sie gerne so etwas anbieten würde aus ihrer Wolle. Aber keine Idee für ein Muster und wie umgesetzt... Beim zweiten durchblättern fiel mir dann dieses schwarz-weiße Modell ins Auge und auf einmal hat es geklickt und ich habe das Buch nach bestimmten Suchparametern noch ein drittes Mal durchforstet.
Lesezeichen an diversen Stellen für die erste Auswahl. Und dann noch einmal in Ruhe. Ich habe das Talent, bestimmte Sachen ohne Zusammenhang zu sehen. Also ich sehe ein Muster und habe im Kopf ein Bild, wo das auch sehr gut hinpassen würde, oder wie es in einem anderen Zusammenhang, oder einer anderen Farbe aussieht. Genauso schaue ich mir eine Strickschrift an und sehe, wie das Strickstück danach aussieht, wo andere nur unverständliches Gekrakel sehen.
Bei diesem Muster dachte ich sofort: Pommern! In hellgrau und dunkelgrau. Also habe ich mein Malbuch herausgeholt und losgemalt. Nachdem mir Karin verraten hat, welche Wollstärke es vom Pommern gibt.
Shetlandmuster haben ober- und unterhalb des Hauptmusters einen peerie. Das ist ein kleines Zwischenmuster, um das Hauptmuster abzuteilen, oder zum Auflockern. Bei der Fischlimütze waren das die weißen Kreise mit den roten Punkten. Hier habe ich etwas gefunden, auf dass ich auch schon in einer anderen Gruppe aufmerksam wurde. Der lettische Zopf. Nach wiederum fast einem Jahr Beschäftigung mit dem Projekt, sind noch zwei andere Namen dafür aufgetaucht: Latvian Braid, oder auch Vikkel Braid. Alles beschreibt das gleiche Muster, nämlich eine zweifarbige Unterbrechung, die wie ein quer geflochtener Zopf aussieht.
Der musste also mit rein. Und weil ich einmal mehr eine Maschenprobe gebraucht habe, habe ich das Muster komplett in der Mütze verwurschtelt.
3 lettische Zöpfe in unterschiedlichen Farbzusammenstellungen, um die beste Variante herauszufinden. Nebenbei stellt sich heraus, dass das Muster zwíschen den ersten beiden Zöpfen die ganze Mütze zu hoch macht. Außerdem rollt sich der Rand nach oben... nein, so nicht. Das Muster vom Deckel sollte anders werden, als bei den Fischen, aber soo gefiel es mir auch nicht.
Außerdem kam einmal mehr hinzu, dass nicht so richtig klar war, ob, wenn ich Teile des Musters aus dem Buch verwende, nicht wieder an irgendeiner versteckten Stelle der kleine Urheberteufel kichert. Also habe ich hin und her gestrichen, geändert und wieder gestrichen.
An dieser ersten Mütze habe ich noch ein bisschen rumgedoktert. Mir war sie zu groß, die 4fach Wolle recht locker verstrickt, so dass der Wind schon durchpfeift und man nicht viel von Wärme hat. Ich habe mir den Rundenanfang unterhalb des dunkelroten Zopfes gesucht, einen kleinen Schnitt gemacht und das untere Muster einfach aufgeribbelt, dabei gleich die Maschen aufgefangen und mit dem geribbelten Faden abwechselnd eine Rund hell, eine Runde dunkel nach unten gestrickt. Das Ganze nach innen umgeschlagen und festgeheftet. Nun ist die Mütze im Ohrenbereich zwar winddicht, aber ein ganz klein wenig zu kurz 😳😁 Irgendwann werde ich die noch einmal aufribbeln ein kurzes Bündchen stricken und noch einmal nach innen umschlagen.
Der zweite Versuch mit dieser 4fädigen Wolle bekam also ein richtiges Bündchen. Eines, dass bei der Fischlimütze schon als Alterntive angegeben war, nämlich ein richtiges Shetlandbündchen.
Bei der ersten Mütze hatte ich, weil mir das rot so gefiel und ich es mal probieren wollte eine Rose gehäkelt und diese statt einer Bommel als Abschluss genommen. Das Röschen kam gut an, hat aber die Nation gespaltet in: "oh, wie süß" und "geht gar nicht". Ich habe mich neutral in die Ecke "ganz nett, wollte ich halt mal probieren" gestellt 😅 Ich muss es nicht auf jeder Mütze haben, aber so schlimm, dass es auf gar einen Fall da sein darf ist es nu auch nicht.
Aber die Mütze hatte ihren Arbeitstitel "Pommernröschen" weg.
Mit Mütze Nr. 3 habe ich mich von dem lettischen Erntethema verabschiedet. Das sind die Streifen zwischen den großen Blumen. Sie sollen Getreidedolden darstellen. Ich hatte so den Gedankenblitz von einer Christbaumkugel, die ich mal gestrickt habe: kleine Blüten mit Ranken darauf. Natürlich wolle ich mal wieder nicht komplett abschreiben, aber die kleinen Streublumen gefielen mir ganz gut. Auch in den Deckel habe ich sie mit eingearbeitet und damit sah die nächste Mütze schon fast ganz anders aus, als die erste! Nicht viel erinnert noch an das erste Modell. Aber es schaut ganz dolle nach Rosen aus!
Das Problem dieser Mütze war allerdings: sie war mir viiiel zu groß. Ich habe sie Karin geschenkt, weil sie lange Haare hat, zum drunter verstecken.
An dem Punkt im Projekt brauchte ich eine kleine Pause. Ich hatte keinen Kopf mehr NOCH ne Mütze zu stricken, außerdem sah sie ja nun ganz passabel aus. Muss man doch nur noch ein bisschen an der Größe basteln...
Aber weil ich das ursprüngliche Muster ja aus einem Buch mit Handschuhen hatte, habe ich damit auch gleich nochmal rumgespielt. Im Hinterkopf halt Anleitungen für Accessoirs wie Handschuhe und vielleicht irgendwann mal ein Schal.
Der Handschuh saß recht locker, was, wie ich nun weiß, an meiner zu lockeren Art zu stricken liegt. Außerdem habe ich Kinderhände. Er dümpelt irgendwo in der UFO-Box rum... Vielleicht komme ich da später nochmal drauf zurück 😇
Inzwischen kamen die ersten Rückmeldungen zur Fischlimütze. Manchen war sie zu klein. Auch die von mir gestrickte hat recht knapp gesessen. Hm, stricke ich wirklich soo locker? Alle Mützen auf den Tisch und Maschenproben rauszählen! Ja, ich bin so im Schnitt bei 21M auf 10cm. Eine Mütze mit Schäfchen drauf ist mit 23M und Nadel Nr. 4 angegeben. Ich habe sie mit Nadel Nr. 3,5 gestrickt und sie war zu groß. Ich stricke also doch sehr locker.
Dienstreise nach Dänemark. Auf dem Rückweg liegt
Aber mit ein paar neuen Anregungen und dünner Pommernwolle in drei Schattierungen habe ich mich auf den Heimweg gemacht.
Es ist unglaublich, die gleichen Farben, die ich bei der 4fädigen Wolle verwendet habe, lassen das Muster bei der 2farbigen unscheinbar, fast verschwinden. Der Kontrast und damit das Muster ist kaum zu sehen!
Die dünnere Wolle will natürlich auch dünnere Nadeln und einmal mehr stellt sich heraus, das, nur weil man Wolle mit der gleichen Lauflänge mit den gleichen Nadeln verstrickt, kommt am Ende auch die gleiche Mützengröße heraus! Sie sitzt wieder einmal knapp auf meinem kleinen Kopf. Ich glaub es fast nicht!
Aber der direkte Größenvergleich bestätigt es. |
Schon beim Stricken ist zu erkennen, ja, so passt das zusammen.
Sehr hübsch, verspielt und doch anspruchsvoll beim Stricken
Diese Version hat wieder nur mir gepasst und ist verreist zu Irina, damit sie vielleicht bessere Bilder für die Anleitung machen kann, als meine Knipse.
Ein letztes Mal, aber jetzt muss es sitzen!
Man könnte meinen, nun ist der Rest ein Klacks, haben wir doch schonmal gemacht... Aber es war wohl doch nicht so fix erledigt. Wir stolpern über Steine, die wir beim ersten mal nicht hatten. Und so kam das Säckel dieses mal erst im neuen Jahr auf die Welt. Macht nichts. Nach dem Winter ist vor dem nächsten Winter. Durch mit der dünneren Wolle ist es eine hübsche, leichte Mütze.
In der Werkstatt habe ich es so beschrieben:
"Zusammen mit Karin Höller und Irina Böhme habe ich was Hübsches ins Säckel gepackt.
100% Schurwolle vom Rauhwolligen Pommerschen Landschaf und -lamm vom Höller-Hof. Dort aufgewachsen, und in Deutschland zu einem feinen Fädchen versponnen mit 400m/100g. Ein Teil mit Säurefarben zu einem warmen rot gefärbt.
Das Muster soll an Rosen erinnern. Rosenranken, die sich nach oben in einem Rosenbogen vereinen. Abgeschlossen durch eine dreidimensionale Rose, die gehäkelt wird. Aufgemuntert durch einen Lettischen Zopf.
Das Ganze passend zur Märchenstraße, die genau durch das Weserbergland verläuft, dabei am Dornröschenschloss vorbeikommt und die Höllerschen Pommernschafe besuchen kann.
Alles in Allem ein leichtes Mützchen für den Übergang, das trotzdem schön warm hält."
Und ich denke, das ist eine gute Zusammenfassung. Den Namen Dornröschen hat sich die Mütze mehrfach verdient 🌹
Vielen Dank an meine beiden Mitstreiter, Kritiker, Ideenbringer und Mutmacher: Karin Höller und Irina Böhme. Ohne Euch wäre es wieder ein fades Blatt Papier geworden!