Freitag, 8. Mai 2020

Shetland vs. Shetland ... ja ist das denn nicht alles gleich?

Zwei Punkte vorweg:
1. mit Shetland ist (natürlich) das geschorene Vlies eines Shetlandschafs gemeint. Ist ja wohl klar!
2. tja, nein, es ist eben NICHT alles gleich. Genauso, wie nicht alle Menschen einer Nationalität gleich sind. Am augenscheinlichsten ist eben der Haartyp und dessen Farbe... um mal einen passenden Vergleich zu wählen.

Shetland vs. Shetland bezieht sich auf die beiden Halbschwestern Happy und Gan Ainm. Richtigerweise müsste ich ja sagen Gan Ainm und Happy, weil ich sie wolltechnisch gesehen in dieser Reihenfolge kennen gelernt habe. Gan Ainm war mein erstes Shetlandvlies überhaupt und diese Farbe hat mich gefangen genommen ♥ Nicht mal so sehr, dass es an Schafwolle das bisher weichste war, das ich bis dahin in der Hand hatte. Einfach diese Farbe. Katmoget? Ich merke es mir nie! Für mich ist halt einfach Haferflocke. Oatmeal, wenn mir der Begriff grade wieder mal eingefallen ist 😉 Das sind so Fachbegriffe die wahrscheinlich alles aussagen, aber so total an mir vorbeigehen, weil mein Fokus ganz woanders liegt.
Ich schaue auch gezielt an einem Staatspräsidenten vorbei, der vor meiner Nase tanzt (ok, es war sein Bruder), weil ich irgendetwas viel Interessantes dahinter gesehen habe, dass mir der Depp verdeckt hat! So in etwa kann man sich das vorstellen.

Um auch ein Ausgangsbild zu haben: die beiden "großen", also die erwachsenen Schafe sind Gan Ainm (die helle) und Happy (die dunkle). Die Farbe von Happy ist (wieder vermutet) gulmoget und da es auch wieder so ein Begriff ist, der mir schwer fällt: schokoladenbraun passt erklärungstechnisch sehr gut zu Haferflocke: Wohl gemerkt, dunkle Schokolade. Und in diesem Fall so gar kein Problem für die Figur. Man kann dabei zwar süchtig werden, aber kein Gramm dabei zunehmen. Das ist mal ne unschlagbare Diät.
Die Zwerge auf dem Bild sind die jeweiligen Zwillinge der beiden. Und nicht etwa die hellen von Gan Ainm und die dunklen von Happy... nein, jede hat eines in jeder Farbe. Wie das sein kann kann man erfahren, wenn man das Buch von Irina und Saskia mal zur Hand nimmt.

Na gut, zwei Schafe, eines mit hellem Fell, eines mit dunklem. Beides sind Shetlandschafe. Was soll da jetzt noch anders sein? Im Prinzip: alles. Es tauchen halt immer wieder Fragen von Leuten auf, an die man selber so nie gedacht hat. Oder es werden Behauptungen in den Raum geworfen, die heiß diskutiert werden: ja stimmt! Nein, das ist ganz anders! Und nun schaue ich mal wieder genau hin.

Ich habe sehr genau geschaut und verglichen und wieder eine Million Bilder gemacht und eben einen Blogbeitrag als Text gewählt, weil mir hier nicht einzelne Bilder und Kommentare dazu aus dem Zusammenhang gerissen werden können. Hier lege ich sie nebeneinander, damit man den Vergleich auch sehen kann und nicht erst das passende Pendant Bild suchen muss.
Zwei Flöckchen der jeweiligen Vliese, mehr oder weniger wahllos aus der Tüte gepickt. Sie sind eh in Stücken gewaschen und weiter verarbeitet worden, so dass ich nicht mehr weiß, an welcher Stelle am Schaf das nun vor der Schur gewohnt hat. Geschaut hatte ich, dass ich von beiden ein Stück finde, das schönen Crimp hat. Crimp sind die kleinen Krissellocken, die mal mehr mal weniger stark ausgeprägt sind. Eigentlich bei beiden vorhanden!
Und das sind sie! Man kann es schon auf dem Bild mit den größeren Vliesstücken sehen, dass das helle Vlies irgendwie länger Haare hat. Gut, die Vliese sind aus verschiedenen Jahren, man könnte also annehmen sie waren unterschiedlich lang auf dem Schaf, bevor es geschoren wurde. Aber Shetlandschafe sind wieder so cool, sie haben sich was ureigenes behalten. Nämlich den natürlichen Fellwechsel. Das heißt so viel wie, wenns zu warm wird, ziehen sie den Pelzmantel aus. Und wenn keiner daneben steht, um das coole Zeuch einzusammeln, machen die das auch ohne fremde Hilfe. Schaut dann vielleicht aus, wie gerupftes Huhn, aber man wird wohl nie ein Shetlandschaf finden, dass, wenn es sich für ein paar Jahre in den Bergen verlaufen hat, mit einem ewig dicken Pelz wieder heimkommt, wie man das schon einmal bei einem Merinoschaf gefunden hat.
oben bei Gan Ainm wirkt der Crimp noch auffälliger, als bei Happy, wo man nur grade so ein paar Wellen ausmachen kann. Die Stricknadel, die ich in jedes der Wellentäler gelegt habe ist eine 2(!)mm starke Sockennadel. Sie wird wieder auftauchen.

Um es noch genauer zu sehen, habe ich mir aus jedem Stück eine Locke rausgepickt. Und auf einmal schaut das alles ganz anders aus! Jetzt wirken die Fasern von Gan Ainm fast glatt während Happy voll die Krause zeigt 😮
noch weiter gefächert. ok, "glatt" ist das nicht, allerdings auch nicht so büschelig wellig, wie das andere. Irgendwie so jeder gegen jeden. Bringt Volumen ins Vlies und Luft ist ja mit einer der besten Isolatoren.
Und natürlich musste ich mal wieder die Lupe aktivieren. Jetzt schaut hell wieder aus, wie einfach nur ungekämmt grade aufgestanden. 😄 Während man bei Dunkel sieht, dass die Haare richtig schön nebeneinander kuscheln.

Das war der reine Faservergleich. Es gibt sehr wahrscheinlich Schafvliese, die von einer anderen Rasse sind, aber die Fasern von der Form her so aussehen. Für das dunkle fällt mir das graue Gotland ein, das ich aus Schweden bekommen habe, oder auch das Blue Faced Leicester, das gestern gekommen ist. Beide haben Partien, die solche gebündelten Wellen haben, mal großwellig, mal krisselig. Oder auch Rassemixe, die sehr voluminös sind, und eben auch so ähnlich aussehen, wie das helle.

Als nächstes habe ich geschaut, wie sich die Fasern spinnen. Ich habe ja angefangen zu spinnen mit Kammzügen, die ich gekauft habe. Also ein fetter Strang Wollfasern, fast immer glatt und so um die 5cm im Durchmesser, das Ganze in einem endlos langen fetten Wurm. Fast immer um die 100g, was den Wurm eben endlich macht. Damit ich daraus einen längst möglichen Faden bekomme, habe ich immer dünner und dünner gesponnen, und irgendwann habe ich festgestellt, dass ich mit diesen Bindfäden nicht wirklich was anfangen kann. Die meisten liegen sich im Schrank kaputt... Zu wenig, um was Gescheites daraus zu machen, zu eigen in der Farbe, um es mit etwas anderem zu kombinieren. Inzwischen spinne ich nicht, weil ich nur einen Zopf habe, sondern ich lasse mehr oder weniger die Fasern entscheiden, wie sie gesponnen werden wollen. Dazu gehört eigentlich auch, dass ich die Fasern zum Spinnen so vorbereite, dass ich das Beste heraushole und das ist nicht immer der Kamm. Dieses Mal habe ich aber absichtlich für beides das gleiche Werkzeug verwendet. Und zwar einmal komplett keines. Was nichts anderes heißt, als die Locken so zu spinnen, wie ich sie in der Hand halte
 Happy

 Gan Ainm

Und schon machen sich die Unterschiede bemerkbar. Happy´s Krause macht die Fasern zu kurz, um sie schön gleichmäßig zu spinnen. Auch "rutschen" sie nicht so recht, weil sie auch immer noch in den Wellen gefangen sind. Hier kommt die Stärke von Gan Ainm, die recht lockeren Fasern gleiten schön und ziehen dabei die nächsten geschmeidig mit sich, so dass man einen schönen gleichmäßigen Faden bekommt. Und das einfach so.

Aber ich bin sicher, Happy hat noch nicht alles gegeben!
Eine kleine Portion auf den Kamm gesteckt und einmal so durchgekämmt, dass der Kamm durch die ganze Länge ohne zu zucken durchfährt. Das macht er natürlich nicht gleich beim ersten Strich. Dafür muss man sich schön vorsichtig, wie bei verfitzten Haaren, vom äußersten Ende zum Kamm vorarbeiten. Bei jedem Strich werden Fasern aus dem einen Kamm rausgezogen und bleiben im anderen stecken. Bis man am Ende den einen Kamm hat, an dem alle Fasern schön und ohne Fitz sind. Auf einmal wirken sie länger und wenn man so über den Buschel streicht, ist das total flauschig! Aber man sieht immer noch, dass das eigentlich ganz schön krisselig ist, nur hat der Kamm die Wellenbüschel getrennt. Und nun liegt auch hier jedes Haar einzeln, die Wellen sind nicht mehr auf einer Wellenlänge, sondern haben sich vielleicht verdreht, oder sind etwas weiter herausgezogen worden durch das kämmen, wodurch die Welle eben etwas verschoben ist. Und das ganze in tausendfach (schätzungsweise)
Jetzt kommt bei Spinnen auch hier ein super gleichmäßiger Faden raus. Die Fasern gleiten leicht aneinander vorbei und nehmen immer nur ein paar weitere mit...
Viel bleibt bei so einer Minimenge nicht übrig, dass nicht  gesponnen werden kann. Aber es lohnt auch nicht wirklich darüber nachzudenken, was man damit vielleicht doch noch machen könnte... Vielleicht kann man es bei Filzen untermischen. Aber jeder Gedanke, den man jetzt anstell, wie man davon noch was spinnen kann, ist verschwendete Zeit. Der Aufwand ist einfach zu groß und das Ergebnis, verglichen mit dem tollen Faden, den man hat, einfach zu schlecht.

Gan Ainm lässt sich eigentlich leichter kämmen, aber sie lädt sich tatsächlich so auf, dass die Fasern Richtung Kammzinken zurückschlagen und dort bleiben wollen. Es gibt wohl eine Mischung aus Wasser und Öl und noch irgendwas, womit man die Fasern einsprühen kann. Einfach mit der Hand drüberstreichen und die Ladung rausnehmen geht auch 😉
Die hellen Fasern lassen sich auch schön aus dem Kamm spinnen, aber einen wesentlich besseren Faden kann ich nicht erkennen. Im Gegenteil erkenne ich einen Nachteil. Denn das haferflockige ist nicht ein beiges und ein weißes Haar nebeneinander, sondern helle Spitzen und beiger Grund. Wenn ich nun die Fasern kämme, spinne ich erst die hellen Spitzen und komme dann langsam bis zum Grund, wo es eigentlich dunkler wird, aber auch ein Teil davon im Kamm hängen bleibt und eben nicht gesponnen wird. Das ganze Garn wird also heller und verliert ein bisschen was von seiner Farbtiefe. Wie beim kardieren wird es eher einheitliche Matschepampe.

Auf der Spule sieht das dann so aus. Die jeweils kleineren Mengen sind aus der Flocke gesponnen, die größeren aus dem Kamm, weil ich bei der Flocke einfach aufhören kann und den Kamm mit der gekämmten Menge leer gesponnen habe.
Hier habe ich jetzt angefangen, meine verschiedenen Fäden mit 08/15 Sockenwolle zu vergleichen. Die kennt jeder und kann sich damit gute einen Vergleich vorstellen.
Die beiden unverzwirnten Garne.
 umgewickelt auf dicke Filzmarker. Also wirklich von jedem nur ein Fädchen
und nun ein Vergleich mit der Sockenwolle und dem verzwirnten Garn. Gan Ainm habe ich mal kurz losgelassen. Man sieht, dass sie sich wieder zusammenzieht. Happy ist wie ein Gummiband.
Das verzwirnte Garn zu einem Strang gewickelt (also einen hinter dem anderen verzwirnt und so verbunden gelassen)...
 und beim Runternehmen total verdrillt
schon jetzt hat sich der Strang so zusammengezogen, dass ich ihn wohl nicht mehr über die Schachtel streifen könnte und wieder der Vergleich mit der Sockenwolle.
Warum vergleiche ich das mit der Sockenwolle? Shetlandwolle hat noch eine andere lustige Eigenart. Wenn sie nach dem Zwirnen entspannt wird (also nass und heiß und dann trocknen lassen) ploppt sie auf, wie Popcorn in der Microwelle. Es tut da nicht so einen Schlag und man hört auch kein Ploppen. Aber wenn man genau hinschaut, sieht man, dass die Wolle nach dem Trocknen mindestens doppelt so dick erscheint wie vorher. Das kürzt natürlich den Strang in der Länge!

wenn ich jetzt Happy mit der Sockenwolle vergleiche, ist die auf einmal viel dicker, wo sie vorher noch halb so dick war. Das mal unabhängig von der Spinnart, aber oben die Spinnereien aus der Flocke unten die aus dem Kamm.


Jetzt kommt die 2mm Stricknadel wieder ins Spiel. Ich habe meinen Strang in ein Knäuel gewickelt, 30 Maschen angeschlagen und stricke geduldig einen Faden nach dem anderen. Das dauert fast den ganzen gestrigen Abend! Noch ein Grund, warum ich nicht mehr so dünn spinne: ich sehe das dünne Zeug nicht gut und muss mich sehr konzentrieren.


Aber ich habe es geschafft. Jetzt lohnt sich wieder ein genauer Blick. Das Muster ist nicht gestreckt und aufgepinnt, sondern nur glatt hingelegt und mit Nadeln gegen einrollen fixiert

 ich habe immer nur die glatt rechts gestrickten Stellen gemessen.

 Sie sind nach dem Stricken noch alle so ziemlich gleich in der Breite

Die Sockenwolle braucht da etwas mehr Platz.

Ich habe es nun noch einmal gewaschen.
Die Fasern werden beim Spinnen aus ihrer ursprünglichen Form gerissen und anders zusammengelegt. Damit sie in der neuen Lage bleiben und nicht etwa wieder zurück wollen, muss man das Garn entspannen. Also den Drall beruhigen und ihm erklären, dass passt schon so, wie das jetzt ist. Ich mache das normalerweise, indem ich einen Topf Wasser nehme, die Wolle dort reinlege und ordentlich einheize. Kein Angst, der Wolle passiert in dem Topf überhaupt nichts! Außer dass sich der neue Krissel beruhigt. Das gleiche macht man mit Maschenproben bevor man sich daran macht, ein Stück passend zu stricken. Auch beim Stricken wird das Garn und die Fasern darin wieder in eine neue Form gezwungen. Ribbelt man das gleich wieder auf, sieht man das dem Garn kaum an. Es wird weder fast so glatt sein, wie vorher. Wartet man eine Weile und ribbelt es dann wieder auf, bleibt das Garn kringelig. Es hat sich also von selbst mit der neuen Situation abgefunden. So lange will aber niemand warten, wenn er ja was stricken will. Also strickt man eine Probe, wäscht sie und lässt sie wieder trocknen. Erst jetzt wird eigentlich gemessen, weil das die Werte sind, die ich als Grundlage für mein Kleidungsstück brauche.

Ohne Feststecken sieht man relativ gut, dass sich das untere helle Stück ein bisschen verzieht 😮 das breite braun steht da, wie eine eins. das obere helle ist genauso grade und das braune ist zwar ein sehr schmaler Streifen, aber eigentlich auch nicht schlecht
Nachgemessen, hat sich Gan Ainm, die Gekämmte, kaum verändert, Happy aus dem Kamm ist fast einen Zentimeter schmaler. Gan Ainm, die Flockige, hat sich auch etwas zurechtgerückt und ist schmaler und auch die Happy aus der Flocke ist etwas anders dimensioniert. Denn genau, wie beim Garn, das durch das Aufploppen zwar kürzer, aber dicker wird, verschwindet auch nach dem Stricken nichts vom Garn. Das Gestrick wird in sich dicker, fluppt noch einmal und zieht den Rest halt in Richtung schmal.

Habe ich nun ein Fazit?

Happy aus der Flocke ist vom Gestrick her etwas dicker, als das aus dem Kamm gesponnene. Da muss man aber schon genau hinschauen. Zum spinnen ist das mit den Krissellocken ein Kampf der Finger, weil die gebündelten Wellen so viel Wiederstand haben, dass sie immer wieder zurück wollen in die Locke. Auch wollen sie nicht so recht aus ihrer Komfortzone, der gebündelten Welle, raus und das gesponnene Garn ist eher unregelmäßig. Der klare Vorteil liegt hier beim Kämmen. Die Fasern spinnen sich leichter und beim Kämmen haben sie sich auch überhaupt nicht aufgeladen.
Gan Ainm aus dem Kamm nimmt dem Vlies und damit dem Garn etwas von seiner Farbvielfalt und das Gestrick verzieht sich. Auch schaut das Gestrick ein bisschen ungleichmäßig aus. Ok, auch nach über 40 Jahren stricken kriege ich rechte und linke Reihen nicht gleichmäßig hin 🙄 aber bei den oberen Farben ist es ja auch schön geworden, also kann es eigentlich nur am Garn liegen 😉

Also dann: Happy kämmen und Gan Ainm nehmen, wie sie ist. Vielleicht beides ein kleines bisschen dicker, denn meine Komfortzone beim Spinnen hat sich bei ungefähr Sockenwollstärke eingespielt