Samstag, 29. Juni 2024

is doch für de Füß!

Am letzten Maiwochenende war ich auf dem Hof Ebeling zur Schafschur. Bärbel hatte mich eingeladen, ihr bei der Schafschur zu helfen und ich kam gerne! Zusammen mit den Scherern Ina Winkler von  der Mühle zum Lamm und Michael Churchouse war auch Sabine Schröder-Gravendyck da. Und auch noch genug andere Helfer. 

Ina und ich sind schon am Freitag angereist und abends noch über die Schafweide geschlendert. Dort haben wir echte Baumwolle gefunden 😮😎

 

Mein Job am Samstag war es, das geschorene Vlies vom Scherplatz abzuholen und auf dem vorbereiteten Sortierplatz so zu begutachten, dass derjenige, der es bekommt, recht viel Freude damit hat. Also alles, was ein Handspinner so gar nicht braucht, weil es zu aufwändig ist, um es zu verarbeiten, wird weggenommen. Kommt tatsächlich in den Abfall. Sabine war mir dabei wieder eine große Hilfe. Ihr Wissen um Wolle und Wollverarbeitung ist immens. Ich bin ja immer etwas zögerlich mit wegschmeißen, aber Sabine ist rigoros: es ist zwar um manche Stellen schade, aber sie wächst ja nach. Ja, das stimmt wohl. Aber wenn ich die Vliese mit denen vergleiche, die vom Schäfer um die Ecke bekomme, finde ich kaum was zu mäkeln. Ich habe es dennoch geschafft und (hoffentlich) gut sortiert. 

Ina und Michael beim Scheren. Die Vliese kamen recht sauber runter, kaum was dran, das wegsortiert werden musste. 

 
eines der Vliese, die mir sehr gut gefielen, schön bunt. Die Schafe bei Bärbel sind eher nicht so groß, trotzdem nehmen die Vliese auf dem Sortiertisch ordentlich Platz ein. Mein "Tisch" war 1x2m und dieses Vlies (und auch einige andere) hingen vorne und hinten und auch an den Seiten über.

So nach dem dritten Vlies hat mir wieder das Herz geblutet, beim fünften kam mir ein Gedanke: Bärbel hat so schicke Puschen erfunden. Ein Paar hat sie mir vor ein paar Jahren geschenkt, die fand ich praktisch. Gedacht eigentlich als eine Art leichte Hausschuhe, die man platzsparend in jede kleine Tasche bekommt. Ich habe sie gerne über den Socken und in den Schuhen an. Vor allem im Winter, einfach weil mir fast alle Winterschuhe zu groß sind. Damit passen sie perfekt. Inzwischen habe ich mir auch schon einige gestrickt, auch aus meinem robusten Garn, das ich speziell gesponnen habe: ein Faden in Spinnrichtung, ein Faden in Zwirnrichtung und diese beiden miteinander verzwirnt. Das gibt ein recht stabiles Garn, weil das in Zwirnrichtung gesponnene durch das Zwirnen noch ein bisschen mehr verdreht wird, während sich der andere Fasen beim Zwirnen wieder ein bisschen öffnet und dem Ganzen die Steifheit nimmt.  

Also wenn die Puschen eh nicht an den nackerten Füßen getragen werden, warum sie nicht aus dieser Wolle machen? Speziell die Wolle von hinten und den Seiten ist ja etwas robuster, damit wären sie vielleicht auch haltbarer? 

Also habe ich angefangen, zuerst das Vlies zu sortieren und streng alles wegzunehmen, was nicht drin sein soll. Ina und Michael haben mit der Handschere geschoren, mit kleinen Päuschen war da gut Zeit, so dass sich keiner abhetzen musste. Und ich habe sie genutzt, um aus dem "Abfall" wieder einiges rauszuklauben. Vorrangig schmutziges und verkrümeltes, aber aus meiner Sicht durchaus brauchbar. Erstmal beiseite tun und dann zu Hause ausklamüsern.

Im Schatten der Kastanie war das Sortieren recht angenehm. Sabines Tisch war etwas größer, als meiner. Der Tag war hier schon etwas fortgeschritten. Auf der rechten Seite mein Arbeitsplatz. Rechts neben dem Tisch meine Abfallbox, die kleine davor, was ich aus der schwarzen wieder rausgeholt habe. 
Am Ende des Tages: alles zusammengerollt und regensicher verstaut. Unsere Sortierung war nur der erste Schritt. Die Vliese werden noch einmal auseinander gerollt und fasertechnisch begutachtet. 

Wieder zu Hause angekommen, habe ich die Wolle erstmal ungesehen gewaschen, also raus aus dem Sack, rein in die Bütt, stehen lassen, spülen, schleudern, trocknen, nächste Fuhre. Insgesamt waren es dann 4 Waschschüsseln voll. Damit das halbwegs ungestopft abläuft passen da so zwischen 150-200g Wollvlies rein. Farblich sortiert habe ich nicht, es waren eh immer nur Stücken und ich wollte es "bunt".  

 

Ich hab mal wieder erst vor der letzten Wäsche dran gedacht, Bilder von der ungewaschenen Wolle zu machen

Das Wasser bei den Vliesen von Bärbel ist IMMER schlammbraun, ihre Weiden liegen im Moorland. Der Staub setzt sich im Vlies ab. 

Einfach nur ins Wasser gehalten, ein bissel untertauchen und ausdrücken und schon ist das Vlies um einiges heller. 

damit auch solche Verschmutzungen so gut wie möglich rausgehen, lasse ich das immer mindestens einen Tag stehen. 1x durchspülen und schleudern. Mehr wird nicht gemacht. Im Waschwasser sind immer ein paar Tropfen Spüli. Alles wird im kalten Wasser vorbereitet. Alles mit recht wenig Aufwand.

 
Wenn ich die Wolle geschleudert habe, schüttele ich sie nochmal gut aus (geschüttelt, nicht gerührt). Was jetzt noch an Krümeln drin ist, fliegt hier noch einmal weg und gleichzeitig flauscht das Vlies, oder besser gesagt, die Vliesstücke richtig auf
unglaublich schöne Farben und eigentlich stubenrein. Zu schade, um es im Garten zu vergraben.

Schon nach der ersten trockenen Fuhre habe ich angefangen zu spinnen. Auf meinem Kiwi mit einer angefangenen 200g Spule und als diese voll war, auf einer (leeren) 130g Spule weiter gesponnen. Als diese voll war, war ich Sabines Meinung: alles muss man nicht bis zur letzten Faser aufbrauchen. Wenn das Sortieren und Gras rauszupfen länger dauert, als das Spinnen, ist es Zeit, damit aufzuhören. Das Garn ist ja "nur für de Füß". Ein Versuch, der auch nicht wirklich viel Wolle verbraucht.
Trotzdem waren recht viele Stücke butterweich und richtig kuschelig, andere wieder sehr lang und damit eher haarig und glatt.

   
Alles geht beim Waschen natürlich nicht komplett raus. Es wurde nicht umsonst wegsortiert.

Spinnen direkt aus der Flocke: einfach ein bisschen auseinander zupfen und ein paar Fasern schnappen, der Rest kommt von allein

 
an dieser Flocke kann man gut sehen, dass aufgrund der sparsamen Wäsche immer noch genug Lanolin drin ist. Ich spinne es so sehr gerne, weil die Fasern schön gleiten. Ich kann sehr gut dünn spinnen und trotzdem stinkt die Wolle nicht (mehr), sondern duftet.

und hier kommt dann die nicht ganz sauber gewordene Stelle: Ist es nur ein bisschen, kann man manchmal diese Spitzen öffnen und der Schmutz bröselt einfach raus. Ist es nicht so leicht zu lösen, ist es doch besser, es raus zu ziehen und wegzuwerfen. 

Zum Zwirnen habe ich dann wieder meine 500g Riesenspule genommen und war etwas perplex, dass ich nicht alles drauf gebracht habe. Ok, ich habe dem Flügel ein Kugellager verpasst. Den Ledergurt, um die Spannung einzustellen konnte ich dort nicht wieder anbringen, habe ich aber auch vorher nie gebraucht. Am Ende habe ich beides zusammen gehaspelt, mit einem kleinen lösbaren Knoten verbunden und dann ab ins Entspannungsbad. Inzwischen waren ca. 3 Wochen seit der Schur vergangen und ich wurde immer neugieriger, wollte aber auch nicht unterbrechen. Also hieß es nun warten, bis der Moppelstrang trocken war. Vor dem Entspannungsbad hatte er satte 600g. Kein Wunder, dass nicht alles auf die Spule gepasst hat! Ich habe beim Wickeln der Höllenwolle irgendwann mal für mich festgestellt, dass 200g-Stränge das Maximum sind. Sie trocknen in einem akzeptablen Zeitraum, sind nicht so schwer, die Haspel kann sie gut aufnehmen und der Wollwickler kommt nicht ins schleudern. Ich mag aber nun mal keine Knoten im Garn, also wird, wenn es für mich ist, kein Garen geschnitten, wenn es nicht sein muss. 

Nun mit ein bisschen Vorsicht hat es die Haspel überstanden und der Wollwickler hat trotz des Gewichtes gut bis zum Schluss durchgehalten. Einmal Stirn wischen und endlich nachwiegen: 550g sind am Ende übrig geblieben. Nochmal 50g (!) an Lanolin und anderem Schmutz rausgewaschen 😮 Die Gesamtlauflänge war 775m, also gute 140m/100g. Gut zu wissen.

eigentlich ist das weniger, als 2 Spulen von meinem Merino Spinnrad, wo die Spulen 250g fassen

 
und trotzdem hat nicht alles auf die 500g Spule gepasst, der Rest auf der geleerten 130g Spule
 
ich hatte den Strang gewogen, bevor ich ihn ins Entspannungsbad gesteckt habe: gute 600g

 
vergleicht man sie direkt, erkennt man schon sehr gut, dass der Strang nach dem Waschen (und wieder schleudern) sichtlich nochmal aufflufft.
sieht gar nicht so groß aus, wenn man keinen Vergleich hat, aber es sind immer noch 550g.

Und jetzt endlich kann das Stricken losgehen. Bei den letzten Socken und Sneakern, die ich mit der Hand gestrickt habe, habe ich an der Ferse immer einen Mohairfaden mitgestrickt, mal komplett synthetisch, mal ein Mix aus Mohair, Wolle und einem winzigen Teil Synthetik. Bei Socken für andere war es reines Mohairgarn. Die Meinungen dazu sind unterschiedlich. Die einen sagen, die Wolle läuft sich trotzdem durch und am Ende steht nur noch der Mohairfaden da. Ich hoffe immer wieder, dass das Flusige des Garns sich mit den Wollfasern anfilzt und damit stabilisiert. Aber einen Beweis dafür habe ich halt immer noch nicht.

 
diese 3 Mohairgarne habe ich mal rausgesucht. Oben auf dem Knäuel eine Mischung aus Mohair (78%), Wolle (12%) und einem winzigen Teil Synthetik. Gefunden auf einem Loppis in SChweden vor ein paar Jahren. Eine Stola, die ich daraus gewebt habe, war nicht so der Kracher. Drum nehme ich die Reste davon nun gerne als Beilaufgearn. Das blaue hat einen großen Teil Poly, aber immerhin noch 10% Wolle und immer noch 5% Moahir und vorne links ist komplett Poly maohairartig.

Und da sind sie nun: meine Puschen aus "Abfallgarn" das so abfallig gar nicht war. Die ersten komplett mit dem schwedischen Mohairgarn verstrickt. Ein bissel enttäuscht, weil das braun sehr viel von der Ursprungsfarbe geschluckt hat. Dafür waren sie nach Anleitungsangaben von Bärbel passgenau zu meinem selbstgetsrickten Muster. Hätte ich nicht gedacht. Aber sie sind auch etwas dicker und dichter, so dass man sie gut ohne Schuhe drinnen tragen kann.

rechts die grünliche war mein Muster. An ihr habe ich die mittlere gemessen. Ganz links dann pur

 ich habe schon an der Fersenwand gesehen, dass das bunte Garn untergehen wird
die Musterpusche über der neu gestrickten: passt, ist nicht zu groß
Und am Ende sieht sie mehr braun als natur aus. Der Effekt ist mir hier nicht willkommen, aber wer weiß, wofür ich dieses Wissen mal brauche  🙄 Dafür ist sie schön dick, so dass sie als reine Pusche ein schönes Wärmepolster zum Biden hat.

Die zweite habe ich dann gleich blank gestrickt, ohne irgendwas dazu. Die Farbe ist einfach unschlagbar unvorhersehbar. Mit der gleichen Nadelstärke und genau gleich gestrickt, sind sie etwas elastischer und ich musste vor der Spitze 2 Runden zusätzlich einschieben, damit die Länge passt. In der Höhe sind sie ein klitzekleines bissel flacher, Aber es kommen ja noch Bändsel dran.

so gefallen sie mir eigentlich am Besten. Ohne Schnickschnack, so wie das Garn kommt.

 
natur kurz vor Schluss. Der Faden wird erst abgeschnitten, wenn alles passt! Zu klein, gemessen an der ersten
zu klein auch gemessen am Muster

also aufribbeln bis Zum Anfang der Spitze und ein paar Runden zusätzlich gestrickt, bevor ich die Spitze nochmal stricke

 
nun passt sie zum Muster und ist auch am Fuß nicht mehr zu kurz. Alles in Allem an den Seiten nicht so hoch, aber es kommen ja noch Bändchen dran. Und vielleicht zieht sich dann noch alles dahin, wo es hin soll.

So blank werde ich sie noch einmal stricken, aber mit anderen Strickangaben, also mehr Maschen und dünnere Nadeln. Es liegen auch noch 2 andere Mohairgarne bereit, die ich mitlaufen lassen kann. Basisgarn habe ich genug, das sollte für ein paar Muster reichen 😂

angestrickt dann auch das blaue Garn und auch das reine Poly wird noch getestet. Zum einen um eine gute Maschenprobe für unterschiedlich dicke Garne zu bekommen, zum anderen um endlich mal zu testen, was dran ist, an dem Mohairbeilaufgarn.

das reine Poly habe ich in 2 Farben, ein helles blaugrausilber und ein bräunliches. Da mir braun bei der ersten nicht so dolle gefallen hat, werde ich wohl das hellere Garn nehmen.

Damit mir der "Abfall" nicht mehr Arbeit bereitet, habe ich an manchen Stellen aufgehört, zu spinnen. Hier bin ich Sabines Meinung, man muss nicht jedes Faserchen retten. Der Garten mag Wolle auch. Nur dass ich vorher noch einiges rausgeholt habe. Mein Garten ist ja auch nicht soo riesig 😂 
Beim Spinnen habe ich größere Stücke, die ich erstmal nicht spinnen konnte beiseite gelegt. Das war am Ende ein Haufen mit um die 100g. Dies wollte ich mir eigentlich noch einmal anschauen, ob vielleicht doch noch was zu machen ist, aber ich werde hier keine Hand mehr anlegen. Ich habe mit wenigen Aktivitäten doch noch was schickes geschafft. Der Zeitaufwand war mehr warten. Diese Reste gehen gärtnern.

insgesamt 100g, die ich dann nicht mehr gesponnen habe
von allen Farben ist da was dabei
 
dieses war sogar mir zu derb. Wenn das beim zwirnen auf eine weiche Stelle trifft, ist diese verloren.  


dieses war ein weiches Stück, hatte aber zu viele Stränge, die sich nicht einfach haben trennen und spinnen lassen


verklebte Spitzen, hier bröselt nichts


das war auch wunderschön weich, nur hat sich hier zu viel Streu reingemogelt


zu kurz mit verklebten Spitzen

zu derb und verklumpte Spitzen

zu kurz. nach dem Anspinnen kam kein gleichmäßiges Garn raus.

zu viel Streu drin, die nicht einfach rausgeht


verfilzt, ließ sich nicht auflockern

wieder zu strangig. ließ sich nicht öffnen


zu viel Streu

Spitzen verkleb und Schnittseite leicht filzig








1 Kommentar:

  1. Spannend! Vielen Dank für den Bericht. Erstaunlich, wieviel du aus dem Abfall noch retten konntest.
    Die "Puren" Puschen finde ich auch am schönsten.

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